Reduzierung innerbetrieblicher E-Mails mit Social Software

Gestern bewirkte eine PR-Mitteilung des IT-Dienstleisters Atos Origin („Consulting > Solutions > Outsourcing“) großes Medienecho. Gemäß dieser Presseerklärung (Atos Origin sets out its ambition to be a zero email company within three years) möchte das Unternehmen binnen drei Jahren E-Mails aus seiner firmeninternen Kommunikation verbannen, Atos Origin möchte unter Einsatz von Social Software zur „Zero Email Company“ werden. Thierry Breton, der Chef von Atos Origin, führt aus: „Manager verbringen zwischen 5 und 20 Stunden pro Woche mit dem Lesen und Schreiben von E-Mails.“, mehr als 200 E-Mails täglich würden die Mitarbeiter seines Unternehmens empfangen.

Diese Zahlen sind plausibel, und das Problem ist bekannt. Wenn ich als Consultant oder Projektmanager in internationalen Konzernen arbeite, wirkt das E-Mail-Bombardement tatsächlich oft erschreckend auf mich. Und in diversen Projekten, zum Beispiel für die Deutsche Telekom, war es meine konkrete Aufgabe, diese Mail-Flut durch geeignetere Kommunikationsstrukturen auf Basis von Social Software zu bändigen.

Wenn Spiegel Online jedoch schreibt „Ein französisches Unternehmen will mehr Facebook statt E-Mails am Arbeitsplatz„, ist das natürlich grober Unfug. Erstens steht von Facebook nichts in der Presseerklärung, zweitens kann ich mir auch nicht vorstellen, wie Facebook effektiv zur Lösung dieses Problems beitragen sollte – von Sicherheitsaspekten ganz zu schweigen.

Die Social Media Welt besteht glücklicherweise aus mehr als Facebook. Einige Beispiele dazu:

Social Software Alternativen zur E-Mail-Kommunikation

  • Zur Kommunikation konkreter Aufgaben in fest definierten Workflows eignet sich Issue-Tracking (Ticketing) oft wesentlich besser als E-Mails.
  • Für das kollaborative Erarbeiten von Lösungen, besonders in der Orientierungsphase, eignen sich Intranet-Foren vorzüglich.
  • Zur Konsolidierung von Wissen (Definitionen und Problemlösungen) bieten sich betriebsinterne Wikis an.
  • Mikroblogging zwingt dazu, Mitteilungen auf den Punkt zu bringen. Oft lassen sich konzerninterne Kommuniqués – vom PR-Team auf 80 Hochglanzzeilen aufgeblasen – auch auf drei Tweets je 140 Zeichen reduzieren.

Von Push- zu Pull-Kommunikation

Wenn solche Tools allerdings jeweils per automatisch generierter E-Mails über Aktualisierungen informieren, geht der Schuss nach hinten los. Ein ganz wesentliches Element der E-Mail-Rationalisierung ist daher die konsequente Umstellung von Push- auf Pull-Kommunikation, wozu sich das RSS-Format hervorragend eignet (siehe: RSS für Recherche-Profis): Information soll zur Verfügung stehen, wenn man sie benötigt, aber sie soll Workflows nicht im falschen Moment stören. Das beste Beispiel dafür sind Newsletter: Sie kommen gewöhnlich immer dann, wenn man für ihr Thema keinerlei Zeit und Interesse aufbringen kann – potenziell interessant, aber zum falschen Zeitpunkt. Dagegen könnte man die gleichen Informationen, kompakt und übersichtlich organisiert, auch per RSS-Feed stets dann zur Verfügung haben, wenn man sich mit der Materie befassen möchte.

Kulturwechsel kann man nicht beliebig beschleunigen

Atos Origin nennt einen Zeitraum von drei Jahren. Das ist realistisch. Die Integration von Social Software in bestehende IT-Strukturen kann ein größeres Unterfangen werden, Datenschutz- und Sicherheits-Aspekte sind zu bedenken, Workflows müssen angepasst werden, und – nicht zuletzt – nicht jeder Konzern ist reif für den Kulturwechsel, den Social Media einerseits bewirken und andererseits zum Gedeih auch unbedingt benötigen.

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Über Marc Stenzel

Marc Stenzel ist Inhaber der New Media Agentur media deluxe sowie freiberuflich als Marketing- und Projektmanager Online, Dozent und Fachjournalist (DFJV) tätig. Marc Stenzel bloggt hier über aktuelle Themen aus dem fachlichen und räumlichen Umfeld des Unternehmens - mal sachlich, mal humorvoll:
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2 Antworten zu “Reduzierung innerbetrieblicher E-Mails mit Social Software”

  1. Gunnar Dahl sagt:

    es sind ja auch nicht nur die mails für sich – wenn die kurz und knackig wären und/oder ein vernünftiges Betreff hätten… es sind ja zumeist die nicht näher beschriebenen umfangreichen Anhänge, die gerade bei firmeninternen mails dran hängen…

    • Marc Stenzel sagt:

      Jeder Konzern hat da wohl seine eigenen besonderen Schwachstellen. Jedoch wiederholt ist mir aufgefallen, dass Manager aufgrund unklar kommunizierter AKVs (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung) praktisch alle Mails sicherheitshalber generell CC nach oben und unten durchreichen. In solchen Fällen ist natürlich die resultierende E-Mail-Flut noch eine der harmloseren Begleiterscheinungen…