Homepages von CMS-Anbietern schlampen bei RSS-Feeds

Schlamperei bei RSS
RSS gehört zu den wichtigsten Recherche-Werkzeugen von Journalisten. Und Anbieter von Content Management Systemen sind gewöhnlich daran interessiert, dass Journalisten über sie berichten. Daher ist es völlig unverständlich, dass nur auf einem Bruchteil der CMS-Homepages RSS-Feeds auch wirklich funktionieren.

RSS – Really Simple Syndification

Die im letzten Jahrtausend so beliebten Newsletter hatten zwei gravierende Nachteile. Erstens verstopften sie die Mailbox, und zweitens kamen sie immer genau dann, wenn man sich dringend mit ganz anderen Dingen befassen musste. Dann wurde RSS erfunden, und Journalisten wurde es somit möglich, mit mächtigen Werkzeugen, wie dem kostenlosen Open Source Newsreader RSSOwl, Tausende von Internet-Quellen zu aggregieren, zu beobachten, zu filtern und auszuwerten. Und weil das für viele Menschen so praktisch ist, wurden RSS-Feeds bald zu wesentlichen Komponenten aller nennenswerten Content Management Systeme.

Schlamperei auf den Homepages der CMS-Anbieter

Aber dennoch – in mehr als der Hälfte der Webpräsenzen von CMS-Anbietern fehlen RSS-Feeds, oder sie sind nicht auffindbar, sie liefern keine brauchbaren Informationen, oder sie funktionieren schlichtweg nicht. Wenn man auf den Gedanken käme, von der Qualität einer Homepage auf die Qualität des jeweils promoteten CMS zu schließen, müsste man gleich mal jede zweite Web Content Management-Lösung in die Tonne treten1.

Twitter, Facebook, Google Plus & Co sind keine Alternativen

Etwas mehr als zehn Jahre, nachdem Firmen das Internet entdeckten und feststellten wie genial es ist, die Unternehmenskommunikation auf einem offenen Standard bündeln zu können, zerfleddern sie sie wieder in proprietären Plattformen, über die sie praktisch keine Kontrolle haben. Heute lassen sich beispielsweise Tweets per noch RSS lesen, ob Twitter das aber auch morgen noch zulässt weiß niemand. Auch inhaltlich sind Soziale Netzwerke keine Alternative zu RSS-Feeds, wie folgender Vergleich zeigt.

Der WordPress-Feed bildet äußerst prägnant die wesentlichen Milestones der beliebten Blog-Software ab:

Wordpress-Feed

Die Tweets von WordPress dagegen enthalten nur selten wirklichen Informationswert:

Wordpress-Tweets

Die Kanäle von Sozialen Netzwerken enthalten gewöhnlich zu viel Rauschen für eine effiziente journalistische Recherche.

Ein exemplarischer Rundgang

Die Homepages der weitest verbreiteten Content Management Systeme haben weitgehend ihre Hausaufgaben gemacht:

  • WordPress, phpBB und Contao verweisen bereits auf der Startseite auf einen Feed mit den wichtigsten Milestones. So sollte es sein!
  • Bei TYPO3 werden mehrere Feeds in der News-Rubrik angeboten.
  • Bei Joomla und Drupal findet man gute Feeds, man muss sie sich aber in verschiedenen News-Rubriken zusammensuchen.

Gut gemeint, funktioniert aber leider nicht:

  • Redaxo (redaxo.org) empfiehlt bereits auf der Startseite ein ganzes Set von Newsfeeds – nur führen leider alle lediglich zu 404-Fehlern.
  • Percussion (percussion.com) stellt in der News-Rubrik zwei Feeds bereit, die beide 404-Errors erzeugen.
  • Der Feed von Chameleon CMS (chameleon-system.de) erzeugt einen Parsing Error (feedvalidator.org: line 1, column 0: XML parsing error: <unknown>:1:43: no element found)</unknown>)
  • Pironet (pironet-ndh.com) stellt in der Presse-Rubrik einen Feed bereit, der aber zu einer Zertifikat-Warnung führt.

piro.net-Zertifikatwarnung

Bei Ektron (ektron.com) konnte ich keinen Feed finden. Die Suchfunktion verweist zwar auf einen „Podcast RSS Feed”, die verlinkte URL führt jedoch zu einer Fehlermeldung. Immerhin verweist Ektron auf einen TechNewsWorld-Artikel, in dem darauf hingewiesen wird, wie wichtig RSS-Feeds sind:

Ektron bezüglich RSS

Bei Moinmoin, ContentXXL, Exponent CMS, Interred, DotNetNuke, DokuWiki, MediaWiki, Simple Machines Forum und vielen weiteren konnte ich gar keine RSS-Feeds finden (oder nur Feeds, die ausschließlich für Entwickler von Belang sind).

Die Liste der Grausamkeiten ließe sich beliebig mit kommerziellen und freien CMS-Sites fortsetzen, bei denen auf den ersten Blick klar wird, dass dort noch nie jemand versucht hat, die eigenen Aktivitäten mit den Augen eines Journalisten zu beobachten. Bei manchen der Betroffenen ist zu sehen, dass dort Begriffe wie Usability und Zielgruppenorientierung als neumodischer und überflüssiger Schnickschnack betrachtet werden. Andere haben sich anscheinend so sehr auf Hypes wie Twitter- und Facebook-Integration gestürzt, dass sie offenbar irrtümlich der Meinung sind RSS sei mittlerweile überholt. Doch RSS ist zwar nicht sexy, aber extrem effizient. Und Journalisten könnten umgekehrt auf den Gedanken kommen, dass solche Anbieter inzwischen überholt sind…


Fußnote 1:
Bezüglich der Diskrepanz zwischen tatsächlicher „Web Experience” und Produktversprechen wurde das traurige Highlight meiner Recherchen der letzten Wochen durch Adobe geliefert. Sechs Tage nach dem Erscheinen von CQ 5.5 finden sich auf der Leitseite für Adobe CQ immer noch keine Informationen zu dem aktuellen Update, geschweige denn ein Hinweis zu einem passenden RSS-Feed. Lediglich in einem Blog-Beitrag auf adobe.com ist ein Verweis zu einer Ankündigung des wichtigen Produktupdates eingebettet – er ist mit einer Pressemeldung Adobes auf der Website Businesswire verlinkt.

Adobe CQ 5.5 Blog

Adobe CQ 5.5-Ankündigung auf Businesswire

Als wichtigstes Feature von CQ 5.5 wird ein „durchgängig konsistentes Markenerlebnis über Channel- und Geräte-Grenzen hinweg” angepriesen. Adobe könnte das wirklich gut gebrauchen.

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Über Marc Stenzel

Marc Stenzel ist Inhaber der New Media Agentur media deluxe sowie freiberuflich als Marketing- und Projektmanager Online, Dozent und Fachjournalist (DFJV) tätig. Marc Stenzel bloggt hier über aktuelle Themen aus dem fachlichen und räumlichen Umfeld des Unternehmens - mal sachlich, mal humorvoll:
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